Obgleich wir ja noch gar kein richtiger Verein waren, es fehlte dazu immer noch die Eintragung in das Vereinsregister, lief das operative Geschäft schon so gut, dass wir 2 Koffer voll mit gespendeten Medikamenten nach Athen bringen konnten. Außerdem, und das machte uns besonders stolz, hatten wir bereits gute 2000 € an Spenden und Vereinsbeiträgen auf unserem Konto. So konnten wir für 1800 € Medikamente in Athen einkaufen. Wir, das sind Gerd Witt, Reinhard Schröder, mein Mann Ulli und ich.
Am 10. April ging unser Flieger um 6.15 Uhr. Das hieß früh aufstehen, der Wecker klingelte bereits um 3.00 Uhr in der Nacht. Am Vortag musste jedoch noch intelligent gepackt werden. Wir hatten 3 Koffer zu viert. Davon waren 2 schon mal für Medikamente reserviert. Der Rest war zumindest für mich nicht so einfach. Glücklicherweise war ich die einzige Frau an Bord, so dass ich von der Genügsamkeit meines Mannes Ulli profitieren konnte.
Gute Freunde ermöglichten uns das kostenlose Parken in der Nähe des Flughafens HH. Müde, erwartungsvoll und voller Vorfreude ging es ab in die Luft.
Planmäßig gelandet ging es weiter in die schöne Stadt Athen, wo wir bereits von Theo, unserem Freund und Vermieter, erwartet wurden. Unsere Wohnung war noch nicht bezugsfertig und so gab es noch ein fröhliches Durcheinander von Koffern Abreisender und uns Ankömmlingen. Und so ging es erst einmal in eine nahe gelegene Taverne zum Essen und Erzählen.
Für den kommenden Dienstag war dann der erste Besuch in der Praxis vorgesehen. Wir brachten unsere Medikamente in das Lager der Apotheke und lernten Bernhard, ein junger Künstler aus der Schweiz kennen, der ein Filmprojekt über Menschen, die der Krise zum Opfer gefallen sind, beginnen wollte. Dazu benötigte er 20 Personen, die bereit waren ihre Geschichte vor der Kamera zu erzählen.
Jannis Kosisis, der Sohn von Herrn Kosisis, einem Mitarbeiter der Praxis, besuchte seinen Vater ebenfalls in der Klinik. Er erzählte uns von Idomeni und den Zuständen dort. Seine Aussage: man kann nicht glauben, dass das Europa im 21. Jahrhundert ist. Es wurde bei diesem Treffen noch viel über Politik, die Krise und deren Ursachen diskutiert. Und obwohl das Thema belastend und ernst war, fühlten wir uns sofort freundschaftlich verbunden.
Für den Donnerstag war der Medikamenteneinkauf vorgesehen. Die Medikamente waren bereits bestellt, die ausgewählte Apotheke unterstützt die Sozialpraxis von Anfang an mit Spenden.
Da wir nicht so viel Bargeld mit uns tragen wollten, musste vor dem Besuch der Apotheke zunächst eine Bank aufgesucht werden. Obwohl wir uns in Deutschland erkundigt hatten, dass wir wirklich diesen hohen Betrag (1900 € ) würden abholen können, war Gerd sehr aufgeregt. Immerhin war er der Träger der Karte und der Geheimnummer.
Nun, die erste Bank war dann auch ein richtiger Flop. Statt uns unser Geld auszuhändigen, verlangte der Automat ständig das Limit zu senken. Also, auf zur nächsten. Alexandra schritt kräftig aus und wie die Lemminge folgten wir ihr durch das Gewühl der Athener Innenstadt. Eine Polizeisperre verhinderte das Vorankommen. Also doch andersherum, und schnell ging es weiter. Der Apotheker erwartete uns zwischen 18.00 und 18.30 Uhr. Ich hatte mittlerweile vollkommen die Orientierung verloren und hielt mich wacker an Alexandras Seite.
Endlich der nächste Bankomat. Mittlerweile lagen bei Gerd die Nerven blank aber tapfer trat er an den Automaten. Und zack….falsche Pin, kein Geld, noch 2 Versuche. Tiefes Durchatmen, und noch einmal mit viel Ruhe und anderer Hand. Staunend und erleichtet nahmen wir unser Geld, wie einen kostbaren Schatz barg Ulli den Betrag an seinem Herzen im Brustbeutel und wurde nun von Gerd und Reinhard flankiert. Auf zur Apotheke, es war gar nicht so weit und mich beschlich das leise Gefühl, dass wir auch gar nicht so weit gelaufen waren.
Großes Hallo in der Apotheke, die Medikamente waren gepackt, die Rechnung bereits geschrieben und so wurde nur noch alles in die Kasse eingetippt. Geld gegen Ware – wir verließen erleichtert die Apotheke und brachten unsere ersten von Spendengeldern gekauften Medikamente in die Apotheke der Sozialpraxis.
Insgesamt verlebten wir eine sehr schöne Zeit in Athen auch wenn die Krise und ihre Auswirkungen das alles beherrschende Thema in diesen 5 Tagen war. Als wir abfahren mussten, taten wir das in dem Bewusstsein neu gewonnene Freunde bald wiedersehen zu wollen.
Sigrun Reiser